Ein Bericht von JULIA MÄTZKOW

Da die Gebrüder Matthes die Ausschreibung nicht gründlich genug studiert hatten, kamen sie voller Ehrgeiz und Freude, schon einen Tag zu früh zur Sportanlage des TSG Rot-Weiß Fredersdorf/Vogeldorf und wunderten sich, warum denn die Gegner noch nicht eingetrudelt waren: Die Fenster geschlossen, die Gardinen zugezogen, niemand war aufzufinden. Es sah unbelebt und verlassen aus in dem kleinen gemütlichen Café. Ein Blick auf den Kalender erklärte alles. „Ich kenne keinen, dem das passiert ist.“, sagte Benjamin ironisch dazu, „Andere fahren zu großen Turnieren eine Woche vorher, um sich zu akklimatisieren. Wir machen das bei einem Schnellschachturnier.“

Dann kam der zweite September-Sonntag (10.9.), und es konnte nun auch für Benjamin und Aaron Matthes vom SC Oranienburg dich noch losgehen, obwohl Veranstalter Martin Sebastian trocken feststellte: „Gestern zu früh – Heute zu spät!?“ Aber trotzdem hatten es alle jetzt rechtzeitig geschafft.

Nach einer kleinen Stärkung, das Frühstück wurde von den Betreibern der Gaststätte „Fair Play“ vorbereitet, konnten auch schon die erste Runde starten. „Ich melde mich!“, stand ein Schachfreund steif vor Martin Sebastian und wollte sich zum Turnier anmelden. Hanne Müller hingegen musste sich erst einmal beschweren: „Die Bezahlung finde ich ja astronomisch für ein halbes Brötchen.“ Da wusste er noch nicht, dass er nur das Startgeld in Höhe von 10 Euro bezahlt hatte und ging ganz kleinlaut, als er das erfuhr.

In familiärer Stimmung freute man sich über Siege oder ärgerte sich gemeinsam über einen sogenannten „Patzerzug“. Viel wurde gelacht über die unterschiedlichsten Dinge. Besonders interessant waren auch die Frauenfußballspiele auf dem benachbarten Platz. Das Highlight war am Nachmittag das Spiel gegen Turbine Potsdam. Fleißig wurde das Spiel von den unparteiischen Schachspielern analysiert, und bei jedem Tor kam Freude auf, egal wer es geschossen hatte.

Dagobert Kohlmeyer, der rasende Schachreporter aus Berlin, musste natürlich seiner journalistischen Leidenschaft wie jedes Jahr nachgehen und die verschiedensten Fotos von den Spielen schießen. Seine Partiekommentare sind legendär – besser als jeder Livekommentator bei der WM. Er ist weit über die Grenzen von Fredersdorf-Vogeldorf für seine Schachbücher bekannt. Ein Renner ist sein „Schachquartet“ mit jeweils nur vier Figuren, die es unter anderem auch zu gewinnen gab. Diese Bücher waren später bei der Siegerehrung gleich als erstes weg.

Die ersten beiden Runden vergingen so wie im Flug. Einige der Schachspieler fokussierten sich so sehr auf das Fußballspiel, dass sie beinahe den Anfang der dritten Runde verpasst haben.
Nach zwei Partien hatte Benjamin bereits 1,5 Punkte, und das obwohl er in der ersten Runde gegen einen Kontrahenten mit mehr 2000 DWZ-Punkten tapfer remis gehalten hatte. Das wurmte seinen Bruder Aaron enorm, weil der einen sehr schlechten Einstieg in das Turnier mit zwei Niederlagen zu verzeichnen hatte.

Das starke Teilnehmerfeld mit 30 charakterstarken Schachspieler musste sich nach der dritten Runde von Georg Fehrmann verabschieden, da er Karten für ein Fußballspiel hatte und als eingefleischter Fan diese auch nicht weggeben konnte. Mit seinem halben Punkt belegt er Platz 30. So hatte leider einer aber in den folgenden vier Runden spielfrei.

Nach der vierten Runde stärkten sich die Spieler wieder. Gulasch mit Rotkohl wurde von „Fair Play“ serviert. Denksport ist aber auch anstrengend. Es war schon 13 Uhr, so langsam bekamen die ersten den Energiemangel im Gehirn zu spüren und ärgerten sich über ihre Züge. Aaron drehte jetzt aber erst richtig auf, nach den ersten beiden verlorenen Partien, bekam er durch die zwei haushoch gewonnen Stellungen neuen Aufwind. Das Bruderduell ging weiter, da Benjamin seine Partien in gewonnener Stellung doch noch weggeworfen hatte. Nach Runde 6 wurde es nochmal sehr spannend zwischen den Beiden. Aaron hatte 4 Punkte und Benjamin 3,5. Wie würde das nur ausgehen? Die Beiden rechneten hoch und stachelten sich gegenseitig an. Doch die Auslosung hätte nicht unglücklicher für Aaron laufen können. Er muss gegen den an eins gesetzten Peter Held spielen. Wird er ihn knacken können? Nun war er immerhin an die ersten 3 Tische vorgerückt. Daraufhin fiel Aaron nur ein: „Ich habe die Bretter von hinten gesehen. Ich habe die Bretter von vorne gesehen. Man könnte sagen, ich bin ein erfahrener Schachspieler.“

Am Ende konnten wir Manfred Lenhardt (2015 DWZ) zum ersten Platz, mit 6 Punkten aus sieben Runden, gratulieren. Er hat die Offene Schnellschachmeisterschaft 2017 souverän vor Matthias Halbohm (1972 DWZ) und Werner Püschel (1987 DWZ) gewonnen, die beide einen halben Punkt weniger hatten. Peter Held (2039 DWZ) musste sich, als bester der Beiden 5 Punkter mit dem undankbaren vierten Platz zufrieden geben. Dafür hat sein Sohn Momme Fredrik Held (1250 DWZ) mit 3 Punkten, als jüngster Teilnehmer, den u1400 Preis bekommen. Zielstrebig suchte sich der kleine Schachspieler eine Schachlern-CD von Exweltmeister Garri Kasparow aus. „Naja, so gut wie Kasparow wirst du auf jeden Fall.“, sagte Martin Sebastian (1849 DWZ) dazu, der ebenfalls einen Pokal mit nach Hause nehmen durfte. Mit 5 aus 7 und Platz 5 wurde er nämlich Vereinsbester! Enttäuscht dürft dagegen der Dritte über 2000DWZler, Peter Hintze, gewesen sein. Der mit 4,5 Punkten bedauerlicherweise nur Rang 6 belegte.

Wie ist eigentlich das Bruderduell ausgegangen? Benni hat gewonnen. Und was ist mit Aaron? Er hat lange gekämpft und musste sich dann doch geschlagen geben. Das ärgerte ihn sehr, zumal sein Bruder vor Schadenfreude fast geplatzt ist. Benjamin Matthes (1678 DWZ) bekam den U21-Preis mit 4,5 Punkten und Rangplatz 8, damit wäre er auch bester u1800Spieler gewesen. Doch Doppelpreise werden nicht vergeben und so bekam Karsten Vettermann (1665 DWZ) auf Platz 9 den Preis für die beste u1800 Leistung, mit nur 1,5 Buchholzpunkten weniger. Aaron Matthes (1635 DWZ) folgte mit seinen großartigen 4 Punkten auf Platz 10. Für eine kleine Überraschung sorgte Olaf Kreuchauf (1561 DWZ), der als Bester in der Kategorie DWZ u1600, der mit 4,5 Punkten und Platz 7 in der Gesamtwertung erzielte. Das war ein besseres Ergebnis, als der beste Mann in der u1800. Oftmals, so berichtete er, habe er allerdings nur durch viel Glück gewonnen und war höchst erstaunt so viele Punkte geholt zu haben. Nach jeder Partie wunderte er sich stets aufs Neue, wie er das nur getan habe: „Es läuft heute.“, lautete dann seine Erklärung. Doch bei der letzten Partie musste er zugeben: „Ich hatte eine klar gewonnene Stellung, dann stand ich im Schach und wollte meinen Gegner Schach bieten, aber da konnte ich ihm das Pfötchen geben…“ Im Gegensatz zu ihm, hatte die beste weibliche Teilnehmerin Sana Fock (1644 DWZ) viel Pech. Ihre 3,5 Punkten reichten es leider nur für Platz 17. Sie hat prima gespielt, aber unglücklich verloren. Es wäre viel mehr für sie drin gewesen.

Alle Ergebnisse mit Fortschrittstabelle sind auf der Webseite der TSG Rot-Weiß Fredersdorf/Vogelsdorf unter dem Link http://www.schachinfredersdorf.de/index.php/id-2017.html zu finden. Allen hat das familiäre Klima im Spielsaal gefallen und so freuen sich Teilnehmer und Veranstalter schon jetzt aufs nächste Jahr. Wie heißt es doch: Nach der Meisterschaft ist vor der Meisterschaft …

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