Sonnabend, den 14. Juni 2014 [Teil II – Vor der Abschlussfeier]

 Nach der Meisterschaft…

 … ist vor der Meisterschaft – so der beliebte Spruch meines Trainer-Freund Holger Borchers. Und da ist sicherlich eine Menge Wahrheit dran…

Der heutige  Vormittag war für den Beobachter von Zuhause mehr als stressig. Immerhin hatte ein Trio mit Susan Reyher [ODJM B], Maximilian Paul Mätzkow [U12] und Clemens Rietze [ODJM A] noch Medaillenchancen, und selbst Nick Müller [U18] hätte bei der günstigsten Konstellation noch auf das Treppchen stürmen können.

Gegen 14 Uhr war dann das „große Kino“ im Maritim Hotel vorbei, und wir Brandenburger konnten uns über Silber  von Clemens  bei der Premiere der Offenen Deutschen Juniorenmeisterschaft freuen, der mit 7/9 dazu ein sehr gutes Ergebnis erzielt hat.

 Wenn ich allerdings den Brandenburger Spieler dieses Meisterschaft wählen soll, so ist es für mich  Nick, der wie Clemens beim USV Potsdam trainiert und spielt.  An 19 (!) gesetzt, stürmte er auf Platz 4 [6/9] vor und verlor lediglich in Runde 5 gegen den glücklichen neuen Deutschen Meister Florian Ott vom SC Forchheim. Was für ein Höhenflug – da kann ich nur von ganzem Herzen gratulieren: Bravo, Nick!

 Dicht vor ihrem größten Erfolg bei einer DJEM stand auch Susan. Sie musste jedoch die finale Partie  mit Weiß  gegen Mathias Hofele vom SC Plochingen am besten gewinnen, um ihren bis dahin dritten Platz zu behaupten. Ein Remis hätte bei den Wertungsspielchen vielleicht sogar gereicht. Das Turmendspiel nach dem 46. Zug von Schwarz sah dann trotz eines Minusbauern nach einem Unentschieden aus [Weiß: Kd3, Tb4, Ba3, f3; Schwarz: Kc6, Tc5, Bb5, e5, f5], wenn Weiß nun 47.a4 gezogen hätte. Aber unsere Susi, die kämpferisch in den Magdeburger Meisterschaftstagen alles gegeben hatte, sah diese Chance nicht. Wenig später folgte der spielentscheidende Fehler [49.f4??].  Über Platz 7 kann sich Susi dennoch freuen, weil sie erfolgreich ihre Möglichkeiten ausschöpfte, und sicherlich bestens motiviert auch Freude dabei hatte.

 Bleibt der international erfolgreichste Brandenburger Nachwuchsspieler der letzten Jahre Maximilian Paul Mätzkow. Der amtierende EU-Meister U11 stand gewaltig unter Druck, nicht nur eine TOP 10-Platzierung abzuliefern, sondern ganz vorn mitzumischen. Letzteres gelang ihm allerdings nicht, denn vor allem mit Schwarz hatte er zu häufig Probleme, so auch in der letzten Runde gegen Kevin Tong [SC Erlangen]. Bei einem Sieg des Jungen aus Eberswalde und günstigen Konstellationen in den anderen Paarungen wäre er zumindest in Medaillennähe gekommen – im Vorjahr belegte er Rang 5.  Doch es hat nicht sollen sein. Bereits nach 27 Zügen war alles vorbei. Mit Glück fand sich Max  mit 7/11 zumindest auf Rang 10 wieder. Auf die  gleiche Punktzahl kamen immerhin elf Aktive auf den Plätzen 9-21.

 Als Außenstehender, und noch dazu von Zuhause aus, steht es mir natürlich nicht zu, das generelle Abschneiden unserer Brandenburger Delegation einzuschätzen. Ein objektives Kriterium ist meiner Meinung nach aber,  ob von den Mädchen und Jungen im Endklassement  der Setzranglistenplatz erreicht oder sogar verbessert wurde.  Das trifft auf Luis Gericke [36./Setzplatz 65] , Marc Krüger [47./76] in der U10, auf Tobias Röhr [36./38] in der U12 und Nick Müller [4./19] in der U18 zu.  In der ODJM A erreichen dieses Ziel Clemens Rietze {2./5] und Marie Antoinette Wolff [33./44], in der ODJM B Susan Reyer [7./13] und Ian Joshua Buller [20./33].

Fragt sich: Wie können wir Brandenburger in den kommenden zwölf Monaten bis zur nächsten  DJEM vor allem in der Breite weiter zulegen – denn sie ist die Basis  für die erhoffte Leistungsspitze?

 Dass unser Landesstützpunkt im August 2013 vor dem fast beschlossenen Aus gerettet wurde, ist eine wichtige Garantie auf diesem Weg. Und ich denke, dass Carsten Stelter  mit dem neuen Konzept der regionalen Trainingszentren in den zurück liegenden Monaten ein Angebot gemacht hat, das sich zunehmend bewähren wird. Brandenburg ist halt ein Flächenland, und die zwei bis drei Lehrgänge wie in der Vergangenheit vor dem Jahreshöhepunkt, also den DJEM, können einfach keinen stabile Erfolge bringen.

Aus meiner Sicht ist nach wie vor zu überlegen,  die besten Mädchen und Jungen einer jeweiligen Altersklasse in Stützpunktvereinen zu konzentrieren. Dieser Prozess dürfte sich sowohl  bei überregionalen  Mannschafts-Wettbewerbe als auch bei Einzelturnieren in jedem Fall auszahlen. Dass Nick Müller zu Beginn der vergangenen Saison vom ESV Eberswalde nach Potsdam zum USV gewechselt ist, wo er sowohl in der Jugendbundesliga als auch in der Männer-Oberliga ein echter  Leistungsträger ist,  war die absolut richtige Entscheidung. Sein tolles Abschneiden in Magdeburg in der U18 ist für mich dafür der beste Beweis.

Allerdings wäre es sinnvoll, eine sogenannte Doppelspielgenehmigung einzuführen, die jeweils über zwölf Monate gilt. Dabei sollten die zu einem  Stützpunktverein delegierten Kinder und  Jugendlichen  in jedem Fall für den Heimatklub im Erwachsenen-Team weiterhin spielberechtigt sein – wenn sie es denn wünschen! Ein solcher Umbruch auch im Denken macht  aber eine Änderung der derzeitigen Spielordnung erforderlich. Wenn die Konzentration jedoch der richtige Weg ist, dann sollten wir im Land Brandenburg zumindest für einen Probezeitraum diesen Schritt endlich versuchen! Veränderungen sind immer mit einem Risiko verbunden, aber immer weiter so wie bisher ist keine Alternative!

 In diesem Sinn ist es ebenso an der Zeit, dass Brandenburgs Nachwuchs endlich an den Deutschen Ländervereinsmeisterschaften teilnimmt. In diesem Jahr finden sie vom 2. bis 10. Oktober in Hannover statt. Interessant ist an dieser Veranstaltung, das die Achter-Team  eines  jedes Landesverband  sich aus je einem Spieler der Altersklassen U20, U20w, U18, U16, U16w, U14, U12 und U12w bestehen müssen.

 Schließlich nochmals zur Problematik Schach als Leistungssport – und das kann eigentlich nur der Anspruch sein, wenn es um DJEM geht. Meiner Meinung nach ist ernsthaft zu überlegen, ob es sinnvoll ist, alle Altersklassen  zu besetzen und die dafür zur Verfügung stehenden Plätze voll auszuschöpfen. Ich möchte nur ein konkretes Beispiel anführen: Laura Friedrich [Jahrgang 2001] vom SV Glück Auf Rüdersdorf  spielte 2012 in der U12 ihre erste Deutsche Meisterschaft. Damals war sie mit einer DWZ von 840 an 98 gesetzt – und belegte mit 0/11 diesen letzten Platz im Teilnehmerfeld. In diesem Jahr war sie bei der ODJM B dabei. Das sympathische Mädchen hat sich inzwischen auf DWZ 1036  verbessert, war an  64 gesetzt und kam mit 3,0 Punkten auf Rang 69 von 73 gewerteten Aktiven.

 Für Laura wäre es fraglos aus meiner Sicht sinnvoller gewesen, beispielsweise am Pfingstsonnabend in Müncheberg am 2. Sommerturnier  zu starten, wo sie in einer Gruppe ihrer Leistungsstärke ganz sicherlich die wichtigen motivierenden Erfolgserlebnisse gehabt hätte.

 Um es in Anlehnung an den Ausspruch des  weisen Märker Theodor Fontane zu sagen: Schach als Leistungssport ist wirklich ein „weites Feld…“

 Der Meisterschaftsvorhang von Magdeburg ist nun endgültig geschlossen.  Ich bin mir  ganz sicher, dass dennoch viele neue Fragen jetzt offen sind – und das ist sicherlich gut so!

 Deshalb will ich hoffen, dass meine Überlegungen – nicht nur in meinen heutigen Beobachtungen von Zuhause, sondern auch in denen der vergangenen Tagen – keineswegs  als „Besserwisserei“ verstanden werden, sondern eher  Anregungen sind, damit wir gemeinsam Strukturen für den Nachwuchs in Brandenburg schaffen, die den leistungsorientiert Schach spielenden Mädchen und Jungen bessere  Bedingungen als bisher geben können. Dieser Weg ist fraglos langwierig, aber er lohnt sich bestimmt…

 

Raymund Stolze