Mittwoch, den 11. Juni 2014
Halbzeit mit Hoffnungen
Ich gebe zu, dass der Dienstag bei den Meisterschaften für mich immer der angenehmste Tag war. Da haben nämlich am Nachmittag die U10 und U12 frei. An rund 100 Bretter ruhen dann die Figuren, und im Spielsaal kann man bei der zweiten Partie dieser zweiten Doppelrunde sprichwörtlich die Stecknadeln fallen hören. Ich denke, dass im großen Saal des Maritim-Hotels in Magdeburg diese beruhigende Stille auch vorherrschte.
Allerdings hat dieser Modus auch seinen Nachteil. Denn wenn am Abend die fünfte Runde beendet ist, haben wir nicht nur Halbzeit, sondern es bleiben für die „Großen“ ab U14 bis zu den beiden ODJM-Gruppen nur noch vier Begegnungen an Hoffnung, damit sich die Wünsche und Träume vor den Titelkämpfen vielleicht doch noch erfüllen. Die „Kleinen“ haben hingegen noch sechs Partien, um den Zwischenstand total zu verändern.
In der Vergangenheit habe ich u.a. auch den DSJ-Geschäftsführer Jörg Schulz auf diese „Ungerechtigkeit“ hingewiesen und mehrere Vorschläge gemacht. So wäre eine denkbare Variante, die beiden Doppelrunden am Dienstag und Freitag zu spielen. Vorstellbar ist auch, dass am Freitag vor dem Finale eine dritte Doppelrunde eingebaut wird, also insgesamt zehn Partien gespielt werden.
Was Medaillen-Hoffnungen angeht, so sind sie bei Maximilian Paul Mätzkow durchaus noch gegeben. Sicherlich, sein Zwischenergebnis von 3,5/5 könnte besser sein. Aber mit Platz 12 und einem Punkt Rückstand auf dein Spitzenquintett, das mit Jan-Okke Rockmann [SV Werder Bremen] abführt, ist für den 12-jährigen aus Eberswalde noch alles drin, zumal er in Runde 6 mit Benjamin Wagner vom USC Magdeburg eine lösbare Aufgabe erhalten hat.
Mit einen Platz auf dem Treppchen wird es für den Potsdamer Marc Krause noch nichts werden. Doch wenn man sich von Setzranglistenplatz 76 mit 3/5 auf aktuell 28 vorgekämpft hat, noch dazu immer gegen von der DWZ her deutlich stärkere Gegner, dann ist das mehr als bemerkenswert und verdient zurecht Anerkennung!
Vier weitere Brandenburger[-innen] hatten am Dienstag die Chance, die Weichen für ein sehr gutes Abschneiden zu stellen, was aus meiner Sicht im Schlussklassement ein Platz unter den TOP 10 ist. Doch der Reihe nach…
Annika Sauer hatte in der U14 bei den Mädchen mit Weiß eine durchaus lösbare Aufgabe gegen Julia Walker vom SV Horst-Emscher aus NRW, und mit Platz 9 bei 2,5/4 war die an 14 gesetzte Leegebrucherin noch ihrem Vormittagssieg sicher mehr als im Plan. Leider verlor sie diese wichtige Partie, doch die TOP 10 sind für sie immer noch möglich.
Annikas Teamkollegin Susan Reyher, die in der ODJM B mit 3/3 einen tollen Start hatte, musste in Runde 4 ihre erste Niederlage gegen Niklas Thumm einstecken. Allerdings hatte. Danach wartete mit Anne-Blume Giede von TuRa Harksheide aber eine schwächer Kontrahentin, die jedoch bis dahin noch keine „Null“ auf ihrem Konto hatte. Susan jedenfalls nutzt die Gunst der Stunde: 4:1-Siege und wieder in der Spitzengruppe nach Wertung auf Platz 4. Das hast Du gut gemacht, Susi, denn verlorene Partien sind vor allem unverzichtbare Erfahrungen. Und bei einer Doppelrunde hat man am gleichen Tag eine neue Chance, voll zu punkten!
Erstaunt war ich von Anfang an über Nick Müller, der uns in der Königsklasse der Jungen vertritt und mit 2,5/3 gestartet war. In Runde 4 traf er auf hohen Favoriten Johannes Carow von den Sfr. Heidesheim, dem er mit einem Holländer problemlos einen halben Punkt abknöpfte. Danach wartete auf den „Wahl“-Potsdamer – Nick spielt in der Jugendbundesliga für den USV – Florian Ott vom SC Forchheim aus Bayern. Beide, das konnte ich den Visitenkarten entnehmen, sind ungefähr gleich stark in der DWZ 2124:2161. Doch unser Mann hatte Weiß! Und er wollte es wirklich wissen, was dann aber am Ende sich nicht auszahlte. So fällt er erst einmal mit 3/5 aus den Medaillenrängen, Doch der Abstand zum Spitzentrio Florian Ott, Johannes Carow, der nach 2012 und 2013 einen Titelhattrick landen möchte, und Emil Powierski vom Elmshorner SC ist mit einem Punkt Rückstand durchaus in Sichtweite. Zumal Nick gegen Ott und Carow bereits gespielt hat.
Bleibt noch der Vierte im Bunde, und das ist mit Clemens Rietze ebenfalls ein Potsdamer vom USV. Unsere Landeshauptstadt hat halt viel zu bieten, vor allem aber Studienmöglichkeiten – und nicht nur einen leistungsstarken Schachverein.
Clemens, der inzwischen FIDE-Meister ist, kenne ich noch aus seiner Jugendzeit, wo er mehrmals Landesmeister in verschiedenen Altersklassen wurde. Ich kann mich noch gut an das Jahr 2003 erinnern. Damals betreute in den Rüdersdorfer Alexander Wapenhans, mit Jahrgang 1990 zwölf Monate jünger als Clemens. Beide trafen in der U14-Meisterschaft in Wandlitz aufeinander. Ich kann mich noch gut an den Telefonanruf von Alex erinnern, der mir sagte: „Herr Stolze, heute hat mich das Glück verlassen…“ Mit Schwarz hatte er mit seiner Skandinavischen Verteidigung nach einem typischen taktischen Schlag auf e6 von Clemens, der damals noch für Preußen Frankfurt (Oder) spielte, regelrecht Schiffbruch erlitten. Ich antwortete Alex darauf sinngemäß: „Das Glück muss man sich erarbeiten!“ Und so ist es heute immer noch…
Wie mir jedoch scheint, braucht Clemens in Magdeburg nicht unbedingt Glück –siehe sein sicheres Remis gegen Maximilian Berchtenbreiter. Der IM von der SG Pang-Rosenheim, dem beim Mitropa-Cup, wo er kürzlich mit dem deutschen Team Silber holte nur ein halber Punkt zur GM-Norm fehlte, ist immerhin klarer Anwärter auf den erstmals vergebenen Titel eines Deutschen Juniorenmeisters U25.
Taktische Verwicklungen – das zeigte seine folgende fünfte Partie, liegen Clemens nach wie or. Im Zweispringerspiel im Nachzug brachte er nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.Sg5 d5 5.exd5 entschlossen 5…b5. Sein Gegner Simon Bart vom SV Werder Bremen hatte sich wohl auf 5…Sa5 vorbereitet. Letztlich landete Clemens einen schönen und vor allem wichtigen Sieg. 4,5/5 – das ist aktuell Platz 2 hinter Philipp Wenniger vom SC Erlangen, der bisher fünfmal gewann! Nicht ausgeschlossen, dass die beiden heute am Nachmittag aufeinandertreffen können…
Anschließend noch eine gute Nachricht, die für die zweite Halbzeit unsere Mädchen und Jungen motivieren sollte. Alle Starter von der U10 bis zur U18 haben nun mindestens einen Punkt. Es kann also nur noch besser werden…
Raymund Stolze