Das Los des Hauptschiedsrichters und Turnierleiters bei einer Brandenburger Landeseinzelmeisterschaft der Kinder und Jugendlichen ist nicht gerade dankbar, ähnlich wie der Job des Landesjugendwartes. Da gibt es eine Situation, da ist man sehr entspannt. Dann zum Beispiel, wenn das Turnier vorbei ist, die Sieger geehrt werden, wohl keine Fehler gemacht wurden und das ganze Spielmaterial im Auto ist, damit es wieder an seinen angestammten Platz in der Grundschule „Karl Liebknecht“ nach Neuruppin kommt. Es gibt aber Situationen und davon erzählt dieser Bericht.
Das Spektakel mit dem Spielmaterial begann für mich bereits am 26. Januar 2017. Mit meiner Klasse hatte ich das Material sortiert und ins Auto bugsiert. Angekommen in Gnewikow, wurden Tische und Stühle ausgerichtet. Und diese Tische sollten nicht reichen. Da ist es schon arg praktisch, dass wir mit dem Jugenddorf eine Institution gefunden haben, die auf nahezu alle Probleme der Schachspieler eingeht – einfach toll.
Spannender wurde es dann am 27.01. ab 16.00 Uhr. Es entwickelte sich u.a. folgender Dialog:
Gast: „Gibt es einen Fahrstuhl?“ Ich: „Nein.“ Gast: „Warum gibt es keinen Fahrstuhl?“
Leider konnte und wollte ich nicht über die Baugeschichte des Gnewikower Gutshauses referieren. Lustigerweise wiederholte sich dieser Dialog noch zweimal in den nächsten neunzig Minuten. Ab 19.30 Uhr folgte am gleichen Tag die Auslosung. Diese ganze Prozedur, die vermutlich nur Insider verstehen, wurde dann auch in sportlichen 29 Minuten abgehandelt – Rekord. Konstellationen mit 3 Spielern aus einem Verein sowie 2 Spielern aus einem anderen Verein bei nur acht Teilnehmern im Rundenturnier sind schon etwas komplex.
Weniger gute Stimmung herrschte am Sonnabend gegen 08:50 Uhr. Da fragte eine Mutter, ob ich etwas gegen behinderte Kinder habe. Dass diese Frage nicht gerade gelungen war, erklärt sich von selbst. Wer meinen Familienhintergrund kennt, weiß das noch mehr. Sie war jedenfalls unzufrieden, dass ihr Kind in der u8 zehn Minuten pro Runde weniger zur Verfügung hatte, da es nicht mitschreiben konnte. Der Höhepunkt folgte am Ende: „Wenn mir das nicht passt hier, dann reisen wir noch heute ab.“ „Dann müssen Sie das tun“, lautete meine Antwort. Die Familie blieb bis Dienstag in Gnewikow.
Positiv war in diesem Jahr, dass wir von der u10 bis zur u25 alle Bretter mit elektronischen Uhren ausstatten konnten. Das ersparte eine manuelle Umstellung bei der ersten Zeitkontrolle. Einige Teilnehmerinnen meinten jedoch, die Kompetenzen der Schiedsrichter mal auszutesten. So reklamierte eine Spielerin in der u16, dass ihre Gegnerin einen falschen Zug gemacht hatte. Sie sagte aber gleichzeitig, dass sie auf die zweiminütige Zeitgutschrift verzichte, da ihr das Einstellen zu langsam von statten ging. Natürlich wurde die Zeitstrafe sehr zügig eingestellt.
Das pünktliche Erscheinen eines Spielers gehört zum Fairplay einfach dazu. Dass trotzdem eine einmalige 15-minütige Karenzzeit eingeräumt wurde, war in erster Linie für die Spieler gedacht, die täglich von ihrem Heimatort nach Gnewikow fuhren. Das tägliche Fahren überhaupt ist schon eine Art Gezocke (wie Blitz), gerade in dieser Jahreszeit bei den Witterungsverhältnissen. Wenn die Runde um 09.00 Uhr beginnt und man erst 20 Minuten später am Brett erscheint, dann wird man halt genullt. Ein Anruf bei Martina Sauer, dass es Probleme bei der Anreise gibt, erfolgte eben auch nicht.
Etwas seltsam war eine Partie in der u10. Sie lief bereits 150 Minuten, als das Endspiel König + Läufer gegen König + Turm auf Remis reklamiert wurde. Dies wurde zunächst abgelehnt, da der Spieler ohne Turm bedrohlich nah vor dem Matt stand. Diese Ablehnung hatte zur Folge, dass eine Art Trashtalk am Brett entstand. Nachdem sich jeder Spieler über den jeweils anderen beschwerte, wurde der Rest der Partie (noch ca. 60 Minuten) im Beisein der Schiedsrichter vollendet. Nach 124 Zügen war es dann doch remis. Einer der Schiedsrichter führte dann noch ein pädagogisches Gespräch mit Spielern und Betreuern.
Insgesamt überwog jedoch die Fairness über die gesamten fünf Tage, gerade bei den Aktiven. Daher macht so ein Event viel Spaß. Vielen Dank insbesondere an folgende Personen. Martina Sauer, die den Gesamthut aufhatte. Frank Mylke, der mit einer enormen Ruhe die Eingaben der Partien am Computer mithilfe der Spieler managte. Olaf Budach, der stets seine Passwörter suchte und die Internetseite aktualisierte. Detlef Zoll und Jörn Gehrke, die im Spielsaal für optimale Spielbedingungen sorgten.
Mathias Jäkel
Ohne den konkreten Fall zu kennen: Die seit Juli 2014 gültige FIDE-Regel hat die Regel 8.1 modifiziert. Ja, ein Spieler, der seine Züge nicht notieren kann, bekommt eine angemessen reduzierte Bedenkzeit. ABER: Diese Regel wird nicht angewendet, wenn der Grund für das Nicht-Mitschreiben in einer Behinderung liegt. („This adjustment of the clock shall
not apply to a player with a disability.“)
Da ich die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten wahren möchte, werde ich mich hier nicht konkret zu den Vorgängen am 28. Januar 2017 äußern. Die aufgeführte Regel 8.1 e, letzter Satz, traf in den Augen des Schiedsrichterkollektivs jedoch nicht zu.
eine hervorragende beschreibung von peters remispartie. 210min spielzeit sehe ich unterm strich vor allem als lob fuer die spieler, trotz trashtalk, dessen wortlaut wir leider immer noch nicht ergruenden konnten. anlass war wohl das vernehmbare mitsprechen beim schreiben. 😉
lieber mathias, danke fuer deine souveraene turnierleitung und danke fuer deinen emotionalen bericht – ich freue mich auf die lem 2018.
peter harbach
Interessanter Bericht aus der Sicht eines Schiedrichters – es macht immer wieder Spaß über solche Situationen zu lesen 🙂 Danke für die viele Arbeit und die Fairness, für die gesorgt wurde. Und ich finde es gut, wenn ein Schiedsrichter angemessen durchgreift und sich nicht belabern lässt. So bleibt der Schiedsrichter eine Respektperson für alle und kann seine Arbeit gut erledigen 😉